Was war das eigentlich mit Corona?

Quarantäne und Ungewissheit haben etwas mit uns gemacht. Auch wenn wir uns anfangs eingeschränkt und limitiert gefühlt haben, ist bei vielen von uns etwas passiert, das wir nicht erwartet hätten. Wir haben uns an Auflagen, Bestimmungen und Verbote gewöhnt. Aus einem „Ich darf nicht mehr rausgehen“ wurde still und heimlich ein „Ich will nicht mehr rausgehen“.

Wem es vorher schwer gefallen ist, den Schweinehund zu überwinden und sich draußen unter die Leute zu mischen, der dachte sich im Frühjahr 2020 wahrscheinlich: „Yeah, Jackpot! Couch, ich komme!“.

Umso härter jetzt die Rückkehr in ein Leben ohne Corona-Bestimmungen.

Die Zügel liegen ganz locker in unserem Nacken, wir warten auf eine Richtungsanweisung, die kam ja immer ganz zuverlässig alle paar Tage - aber es kommt keine. Also werden wir langsamer. Die Atmung wird flacher und wir lauschen, ob uns nicht irgendjemand doch etwas zuflüstert. Am besten bleiben wir stehen, sonst übertönen unsere Schritte noch das Flüstern. Wir möchten hören: „Rechts oder links. Von mir aus auch rückwärts. Hauptsache irgendwas. Nimmt jetzt mal endlich einer die Zügel auf?!“

Es gibt verschiedene Begriffe für dieses Phänomen: erlernte Hilflosigkeit, Freeze-Modus, Anpassungsstörung, PTBS, … Leben. ;)

Das, was zu Corona-Zeiten Sinn gemacht hat, stellt uns jetzt ein Bein.

Wieso können wir nicht einfach wieder „normal“ sein?

Unsere Psyche als Künstler

Unsere Psyche ist ein Meister darin, uns vor Unerträglichem zu schützen. Sie setzt all ihre Kreativität, Bemühungen und Ressourcen ein, damit wir seelisch nicht zugrunde gehen.

Schon Sigmund Freud erkannte, dass wir unbewusst auf Abwehrmechanismen zurückgreifen, wenn wir an seelischem Schmerz zu zerbrechen drohen. Die bekannteste dieser Schutzstrategien ist übrigens die Verdrängung.

Ein weiterer passender Begriff dazu ist der primäre Krankheitsgewinn. Den sekundären Krankheitsgewinn kennst du vielleicht bereits in Form von: Mitgefühl erhalten, weniger Verantwortung übernehmen müssen aufgrund einer Krankheit usw... das haben wir manchmal alle ganz gern. :)

Damit wird der Nutzen einer (psychischen) Erkrankung in sozialen Situationen beschrieben.

Der primäre Krankheitsgewinn beschreibt den innerpsychischen Nutzen einer psychischen Störung. Auch wenn es sich um eine Störung handelt, die uns also stört und die wir „weg“ haben möchten, erfüllt sie zu Beginn immer eine Funktion. Nämlich, uns vor noch größerem Leid zu schützen. Wieviel Schutz wir brauchen, ist bei jedem Menschen unterschiedlich.

Mit Regenmantel am Strand

Unsere Psyche versucht uns in Krisensituationen immer den passenden Mantel zu nähen. Manchmal einen richtig dichten Regenmantel, der nichts durchlässt. Manchmal auch einen aus Seide, der wunderschön mit Gold und Perlen verziert ist, den man im Regen überhaupt nicht gebrauchen kann, aber dafür umso mehr auf einer schicken Gala.

Die Kreativität, Anpassungsfähigkeit und Schnelligkeit, die dahinter steckt, finde ich absolut bemerkenswert!

Viele von uns tun sich jedoch nicht so leicht damit, den Mantel nach diesem einen Erlebnis zu wechseln, da er so perfekt passt und uns ja auch wirklich geholfen hat.

So glauben wir beispielsweise, der Regenmantel hilft uns in allen Situationen. Also tragen wir ihn nicht nur bei Unwetter, sondern auch auf der Gala, beim Schlafen, in der Badewanne, am Strand, …

Mit Regenmantel am Strand – herrlich!

Wir kommen nicht mehr auf die Idee, ihn auszuziehen, obwohl wir vor Wärme zerfließen. Unsere Haut nicht atmen kann und wir Pickel an unaussprechlichen Stellen bekommen.

Aus der Kreativität von damals ist Unflexibilität, Gehemmtheit und Stagnation geworden.

Etwas, das uns früher einmal geholfen hat, fügt uns heute Leid zu und wir sind nicht in der Lage, es loszulassen.

Die Psyche wird vom Künstler zum Störer.

Psychische Kreativität wird zu psychischer Störung.